Scheherazade
Oper frei nach Motiven von 1001 Nacht von Bettina Weber
Inhalt
Ouverture
Der Großwesir verkündet den Willen des Sultans: weil seine Lieblingsfrau ihn betrogen hat, will er künftig nur noch für eine einzige Nacht heiraten, seine Gemahlin am folgenden Morgen aber töten, um künftig vor jeder Täuschung sicher zu sein.
1. Akt
Das Volk klagt über die Grausamkeit ihres Herren, der die Hinrichtungen tatsächlich durchführen lässt. Der Großwesir ruft Scheherazade als neue Braut des Sultans aus.
Achmed, Scheherazades Bruder, ist über diesen Schicksalsschlag so außer sich, dass er beschließt, den Sultan zu ermorden. Sein Versuch schlägt jedoch fehl.
Scheherazade bittet den Sultan um die Gnade, ihm ein Märchen erzählen zu dürfen. Anschließend wolle sie gern jedes Schicksal auf sich nehmen, das ihr bestimmt wäre. Gegen den Willen des Großwesirs willigt der Sultan ein und gestattest sogar, dass das Mädchen mehrere Untertanen als Akteure in ihre Geschichte mit einbezieht.
Scheherazade beginnt zu erzählen:
Großwesir, Obersterndeuter und Oberaufseherin hetzen das Volk, gegen ihren Herrn, den jungen Prinzen Omar auf und behaupten, seine Bestrebungen von Frieden und Menschlichkeit würden das Reich in den Untergang führen. Als der Prinz jedoch den Saal betritt, bricht alles in eine falsche Huldigung aus.
Prinz Omar bemerkt die unterschwellige Feindschaft nicht, er glaubt, dass die Ehrenbezeugungen seines Volkes echt sind. Drei Feen erscheinen, die ihn vor der Verschwörung warnen wollen, ihm obendrein verkünden, er müsse die wahre Liebe finden, da andernfalls sein Leben leer und kalt bleiben würde. Überheblich lehnt Omar die angebotenen Gaben von Weisheit und Güte ab. Die dritte Fee setzt ihm daraufhin ein Paar Eselsohren auf, das er erst wieder verlieren soll, wenn er seinen Stolz überwunden und die wahre Liebe gefunden hat.
Als der Morgen graut, unterbricht Scheherazade ihre Erzählung. Der Großwesir drängt auf die Vollstreckung des Urteils, doch die Neugier des Sultans ist geweckt und er besteht darauf, das das Mädchen weitererzählt.
2.Akt
Scheherazade erzählt weiter:
Die drei Verschwörer befragen das Kammermädchen Djalimeh nach dem veränderten Verhalten des Prinzen. Nach einigem Zögern und der Versicherung, sie hätten lediglich die Absicht, ihrem jungen Herrn zu helfen, berichtet das Mädchen über ihre Entdeckung: der Prinz hat Eselsohren!
Nachdem Djalimeh den Saal verlassen hat, geraten Großwesir, Obersterndeuter und Oberaufseherin in Streit: jeder von ihnen hält sich für den geeignetsten Nachfolger des Prinzen, dessen Sturz sie aufgrund seiner Entstellung ganz nah glauben. In ihrem Eifer bemerken sie nicht, dass spielende Kinder in den Saal gekommen sind, die sie belauschen. In Windeseile verbreitet sich die Nachricht von der Mißgestalt des Prinzen im ganzen Schloß.
Wieder unterbricht Scheherazade ihre Geschichte. Der Großwesir, der sich durch die Erzählung mehr und mehr angegriffen fühlt, dringt erneut auf ihre Hinrichtung, doch der Sultan schiebt das Urteil ein weiteres Mal auf.
Scheherazade erzählt weiter:
Während der Abendunterhaltung für den Prinzen dringt das aufgebrachte Volk in den Saal: falls sich das Gerücht bewahrheitet und ihr Herr tatsächlich Eselsohren hat, wollen sie ihn augenblicklich vom Thron stoßen! Die Verschwörer beschuldigen Djalimeh, das Geheimnis verraten zu haben. Sie glauben, damit den Prinzen endgültig vor seinen Untertanen unmöglich zu machen: streitet er seine Missgestalt ab und bestraft er das Mädchen, können sie ihn als Lügner entlarven, bekennt er sich jedoch zu seiner Entstellung, wird das Volk sich von ihm abwenden. Omar reagiert zunächst getroffen und empört, fragt Djalimeh dann aber nach den Gründen für ihren Verrat. Das Mädchen erklärt, nur aus dem Wunsch heraus, ihm zu helfen, so gehandelt zu haben. Nach dem Grund befragt, gesteht sie, den Prinzen zu lieben. Als sich das Volk nun wütend sowohl auf Omar, als auch auf Djalimeh stürzen will, stellt der Prinz sich schützend vor das Mädchen und reißt sich die Mütze vom Kopf, mit denen der bislang seine Eselsohren versteckt hat: alle Welt soll seine Missgestalt sehen! Doch zu aller Erstaunen zeigt sich, dass der Prinz gar keine Eselsohren hat!
Die drei Feen treten aus der Menge hervor und decken die Intrige auf und sorgen dafür, dass nunmehr Großwesir, Obersterndeuter und Oberaufseherin mit Eselsohren für ihren Verrat gekennzeichnet sind.
Der Großwesir verliert die Nerven und greift Scheherazade an, durch deren Geschichte er sich ertappt fühlt. In seinem Zorn verrät er, dass ER selbst es war, der den Sultan zu den Morden an den Mädchen überredet hatte, einzig zu dem Zweck, das Volk gegen seinen Herrn aufzuhetzen und sich selbst die Macht anzueignen.
Der Sultan erkennt, dass er viele Fehler gemacht hat und verkündet, dass er sich künftig ganz für das Wohl des Volkes einsetzen wird. Er hebt das Urteil über Scheherazade auf und ruft sie erneut als seine Gemahlin aus. Um seine neue Herrschaft mit Güte und Milde zu beginnen, begnadigt er auch den Großwesir, verbannt ihn lediglich aus seinem Reich und setzt stattdessen Achmed an seine Stelle.
Überglücklich preist das Volk die Güte und Milde ihres Herrn.
Besetzung
Sultan | Sprechrolle große Partie |
Scheherazade, im Märchen Djalimeh | Sopran große Partie, Schwierigkeitsgrad anspruchsvoll |
Achmed*, ihre Bruder, im Märchen Prinz Omar | Sopran große Partie, Schwierigkeitsgrad mittel |
Marymasad, beider Vertraute | Sprechrolle kleine Partie |
Großwesir* | Bass große Partie, Schwierigkeitsgrad sehr anspruchsvoll |
Obersterndeuter* | Tenor große Partie, Schwierigkeitsgrad sehr anspruchsvoll |
Oberaufseherin* | Alt große Partie, Schwierigkeitsgrad sehr anspruchsvoll |
drei Hofdamen*, im Märchen Feen | Sopran, Mezzosopran, Alt mittlere Partie, Schwierigkeitsgrad anspruchsvoll |
Hofgesellschaft | gemischter Chor, wahlweise S1 S2 A M oder S A T B große Partie, Schwierigkeitsgrad anspruchsvoll |
Kinder | einstimmiger Kinderchor kleine Partie, Schwierigkeitsgrad mittel |
Begleitung
Flöte | |
Oboe | |
Violine 1/2 | |
Viola | |
Violoncello | |
Schlagzeug |
Der Vokalpart richtet sich vom Schwierigkeitsgrad her an fortgeschrittene Gesangsschüler oder vorgebildete Laien, der Instrumentalpart an professionelle Musiker oder fortgeschrittene Laien.
Die mit * gekennzeichneten Rollen setzen die Fähigkeit voraus, in einem Ensemble eine zweite oder dritte Stimme durchzuhalten.
Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden
Aufführungen
10.05.2006, Stadthalle Gelnhausen (Uraufführung) | Opernschule Gelnhausen und Rhein-Sieg-Kammersolisten |
Erläuterungen zum Stück
Bereits nach "Cinderella" hatte ich die Idee, einmal eine Oper nach einem Stoff von 1001 Nacht zu schreiben.
So schön dieses Vorhaben in der Theorie aussah, so kompliziert war aber die Umsetzung. Die mir bekannten Märchen aus 1001 Nacht waren allesamt zu lang, enthielten zu viele Personen, zu viele Ortswechsel, zu viele Verwandlungen und ließen sich somit keinesfalls als Opernstoff adaptieren. Somit gab ich den Plan immer relativ schnell wieder auf und entschied mich für andere, geeignetere Stoffe.
Nach der abgeschlossenen Arbeit an Hexentanz" jedoch erschien es sowohl mir, als meinem Ensemble wünschenswert, einmal wieder ein heiteres Stück zu spielen, nachdem ja "Der Geburtstag der Infantin", vor allem aber "Hexentanz" beides tragische Opern waren.
Also griff ich die Idee, "Scheherezade" zu vertonen, wieder auf und verfolgte sie diesmal mit etwas größerer Ausdauer. Nach einigem Suchen stieß ich auf ein Märchen, das ursprünglich wohl vom Balkan stammt: "Der Prinz mit den Eselsohren", das mir geeignet erschien.
In der Originalfassung verleihen die drei Feen dem jungen Prinzen bei seiner Geburt Gaben: die beiden ersten Schönheit und Tugend, die dritte jedoch, aus Ärger darüber, dass ihre Schwestern ihr bereits soviel positive Gaben vorausgenommen haben, gibt ihm Eselsohren, um ihn vor Stolz und Hochmut zu bewahren. Der König veranlasst darauf, dass der Prinz
ständig eine enge Mütze zu tragen hat, die seine Schande verbirgt.
Als er in das Alter kommt, dass ihm das Haar geschnitten und er rasiert werden muss, sieht der König sich veranlasst, seinen Barbier in das Geheimnis einzuweihen. Dieser muss jedoch bei Todesstrafe versprechen, dass er nichts von dem verrät, was er zu sehen bekommt.
Den Barbier jedoch treibt das Geheimnis derartig um, dass er in den Wald geht, ein Loch gräbt und immer wieder dort hineinruft: "Der Prinz hat Eselsohren", bis es ihm leichter wird. Dann schüttet er das Loch wieder zu und geht seiner Wege.
Auf der Stelle, wo er das Loch zugeschüttet hat, wächst ein Weidenbusch, aus dessen Zweigen sich Kinder und Hirten Flöten schnitzen. Sobald sie darauf spielen, ertönt es überall: "Der Prinz hat Eselsohren". Die Nachricht kommt auch vor den König, der darauf sofort seinen Barbier rufen lässt und ihn wegen seines Verrats hinrichten lassen will. Da aber wird der Prinz von Mitleid ergriffen. Er zieht sich die Mütze vom Kopf, damit alle Welt seine Eselsohren sehen soll. Doch da sehen alle zu ihrem Erstaunen, dass der Prinz gar keine Eselsohren hat und von Stunde an ist auch die Stimme aus den Weidenflöten nicht mehr zu hören.
So schön und poetisch das Märchen auf ersten Blick auch sein mag - in der Umsetzung zu einem Opernlibretto erwies es sich dennoch als recht tückisch. Sowohl die Verleihung der Gaben bei der Geburt des Prinzen war problematisch, als schier unlösbares Problem zeigte sich die Szene mit den Weidenflöten!
Nach einigem Überlegen entschied ich mich dann für den oben beschriebenen Handlungsablauf, der außerdem eine starke inhaltliche Verknüpfung zwischen der Rahmenhandlung und der Märchenhandlung enthält. Dem Sultan, der einzigen handelnden Person, die NICHT am Märchen beteiligt ist, werden durch die Märchenhandlung seine eigenen Fehler vor Augen geführt, die Machenschaften des betrügerischen Großwesirs entlarvt. Auf diese Weise ließ sich eine weitaus größere Spannung und Dramatik erzeugen, als im vorliegenden Original.
Anders, als bei den vorangegangenen Opern, habe ich diesmal das Schwergewicht auf Chorstücke und Ensembles gelegt. Lediglich Scheherazade und Omar haben (kleinere) Soloarien zu singen. Ansonsten stehen großangelegte Ensembles, bei denen Solistenterzette (einerseits die drei Verschwörer, andererseits die drei Feen) mit dem Chor, oder mit Einzelstimmen korrespondieren, im Vordergrund.
Um eine größere Abstufung zwischen den beiden Ebenen zu erreichen, habe ich in der Märchenhandlung völlig auf Dialoge verzichtet.
Das musikalische Motiv "Der Prinz hat Eselsohren" steht jeweils als Leitmotiv am Ende der Märchenbilder. Zunächst wird es als Solistenterzett von den Feen vorgetragen, unterbrochen von den Verzweiflungsausbrüchen des Prinzen.
Am Ende des zweiten Bildes wird es vom Chor übernommen, und vermischt sich dort mit einem kinderliedhaften Spottvers des Kinderchors.
Im dritten Bild verändert sich der Text - nicht mehr der Prinz hat nun die Eselsohren, sondern die drei Verschwörer - und zu Chor und Kinderchor gesellen sich obendrein noch die drei Feen, die ihr Urteil über die Verschwörer wiederholen. Dieses Ensemble wird abrupt durch den Zornausbruch des Großwesirs unterbrochen, der sich durch das Märchen so entlarvt fühlt, dass er Scheherazade wütend angreift.
Die, wie üblich an der klassisch/romantischen Oper orientierte Musik, enthält diesmal zahlreiche Orientalismen (ähnlich wie in Mozarts "Entführung aus dem Serail"), außerdem aber auch viele Anklänge an die italienische Oper.
Ursprünglich hatte ich auch dieses Stück wieder als Einakter geplant. Jedoch zeigte sich sehr schnell, dass die durchkomponierten Teile für dieses Vorhaben zu lang waren. Somit entschied ich mich, die Oper in zwei Akte zu unterteilen, was der Spannung der Handlung jedoch nur zugute kommen kann.