Seit ihrer Kindheit gibt es in ihrer Familie den Brauch, einem Menschen, den man besonders liebt, zur Weihnachtszeit einen Blumentopf zu schenken, (oder ihn sich auch selbst zu besorgen), in welchem Dattelkerne eingepflanzt sind. Gehen die Kerne auf und wachsen, bedeutet das ewiges Glück für den Beschenkten.
Bei ihr jedoch ist dieses Wunder noch nie eingetreten.
Stattdessen wurde sie gerade an Heiligabend immer wieder von schweren Schicksalsschlägen getroffen:

Als sie ein kleines Mädchen war, erwartet sie die Rückkehr ihrer geliebten älteren Schwester aus dem Krankenhaus – doch dann bekommt sie die Nachricht von deren plötzlichem Tod.

Als Heranwachsende träumt sie von einer Karriere als Tänzerin, als sie sich bei einem Bühnenunfall schwer verletzt. Auch ihre Hoffnung auf eine schnelle Genesung erfüllt sich nicht, sie erfährt, dass ihr Fuß steif bleiben wird.

Als junge Frau hat sie ein Verhältnis zu einem verheirateten Mann und ist von diesem schwanger. Allen Versprechungen von einer gemeinsamen Zukunft zum Trotz entscheidet sich dieser schließlich für seine Ehe und verlässt sie.

Nachdem die Frau sich an all diese Einzelheiten erinnert hat, kommt sie zu dem Schluss, dass ihr Leben keinen Sinn mehr hat.
Sie beschließt, Schlaftabletten zu nehmen.
Unmittelbar bevor sie die tödliche Mischung schlucken will, betrachtet sie noch einmal den Topf mit den Dattelkernen, den sie von ihrer Tochter bekommen hatte. Zu ihrem grenzenlosen Staunen entdeckt sie , dass die Kerne ausgetrieben haben.
Gleich darauf klingelt erneut das Telefon. Ihre Tochter kündigt an, dass sie nun doch zu Besuch kommen wird und zwar gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Kind. Bewegt erkennt die Frau, dass für sie in diesem Jahr das Weihnachtswunder eingetreten ist.

Begleitung

Der Vokalpart richtet sich vom Schwierigkeitsgrad her an fortgeschrittene Gesangsschülerinnen, Musikstudentinnen oder professionelle Sängerinnen.

Aufführungsdauer: ca. 45 Minuten

„Das Weihnachtswunder“ entstand im ersten Corona-Jahr (2020) für Aufführungen im kleinsten (privaten) Rahmen.
Das Stück ist mit einer einzigen Sängerin auf der Bühne und einer kammermusikalischen Orchesterbesetzung (die bei der Uraufführung als Playback abgespielt wurde) für Aufführungen unter einfachsten Bedingungen konzipiert.
Das Werk ist durchkomponiert, gesungene Passagen wechseln mit kurzen Melodrampassagen, jeweils bei den schicksalsträchtigen Telefongesprächen ab, und es enthält musikalische Elemente, die sich in den einzelnen Abschnitten wiederholen, so zum Beispiel das „Motiv der Dattelkerne“ oder das „Weihnachtsmotiv“.
Eine zentrale Stellung nimmt das Weihnachtslied „Oh du fröhliche“ ein, das die Frau zu Beginn der Oper, wie auch zu Beginn jeder neuen Sequenz anfängt und jedes Mal durch das Klingeln des Telefons unterbrochen wird.
Erst am Ende, als die Frau dem Leben wieder eine Chance gibt, kann sie das Lied zu Ende singen.
Obwohl die Partie der Frau stimmtechnisch eher mittlere Ansprüche stellt, verlangt die Rolle von der Sängerin eine große darstellerische Wandlungsfähigkeit, da sie sich in die verschiedenen Stationen ihres Lebens zurückversetzen muss.
Inszenatorisch wäre allerdings auch eine Splittung der Rolle denkbar, sodass „Kind“, „Tänzerin“ und „junge Frau“ von Schauspielerinnen/Pantomiminnen übernommen werden, oder aber die Darstellung der Erinnerungen durch Videoeinspielung erfolgt, die von der Frau lediglich vokal kommentiert wird.

"Das Weihnachtswunder" kann als eine Art Vorstudie zu "Loslassen!" gelten, einer Oper, die ich 2021 im Rahmen eines Arbeitsstipendiums des Musikfonds Berlin verfasste.