Ein Mädchen namens Margot
Musikalisches Theaterstück gegen das Vergessen von Bettina Weber
Inhalt
Die Schülerin Miriam muss für den Geschichtsunterricht eine Hausarbeit über den Holocaust schreiben.
Der Arbeitsauftrag erfüllt sie mit größtem Widerwillen. Sie ist der Meinung, dass über dieses Thema viel zu viel gesprochen wird und findet es ungerecht, dass auch ihre Generation, die lange nach dem 2. Weltkrieg geboren wurde, noch immer zu einem grundsätzlichen Schuldbewusstsein erzogen wird.
Notgedrungen wählt sie aus einer Liste mit Personen des Zeitgeschehens, über die sie einen biographischen Abriss verfassen soll, Anne Frank aus.
In der Beschäftigung mit deren Lebenslauf kommt ihr zum Bewusstsein, dass in den meisten Abhandlungen lediglich von Anne die Rede ist, während deren ältere Schwester Margot meist unerwähnt bleibt, obwohl diese das gleiche Schicksal erlitten hat.
Miriam beginnt mehr und mehr, sich in Margot hineinzuversetzen.
Sie schlüpft in deren Rolle und erlebt auf diese Weise die von den Nationalsozialisten geprägte Veränderung der jüdischen Welt und den Umzug der Familie in das Versteck im Hinterhaus.
Situationen aus dem Alltag der Untertaucher wechseln mit hoffnungsvollen, angsterfüllten oder sehnsüchtigen Träumen Margots.
Am Ende steht die Entdeckung der Familie und die Deportation ins Konzentrationslager.
Sensibler geworden erkennt Miriam, dass hinter den nüchternen Zahlen der unter dem nationalsozialistischen Regime ermordeten Juden, die sie aus dem Schulunterricht kennt, menschliche Schicksale stehen - wie das des Mädchens Margot Frank.
Besetzung
Margot/Miriam | Sopran, auch Schauspiel-, Tanz- und Pantomimenrolle große Partie, Schwierigkeitsgrad sehr anspruchsvoll |
Begleitung
Klarinette | |
Klavier | |
Schlagzeug |
Das Werk richtet sich an professionelle Sänger und Musiker, oder Musikstudenten.
Aufführungsdauer: ca. 1 1/2 Stunden
Aufführungen
10.03.2012, Studio Frankfurter Berg (Uraufführung) | |
11.03.2012, Studio Frankfurter Berg | |
12.03.2012, Studio Frankfurter Berg | |
03.11.2012, Studio Frankfurter Berg | |
04.11.2012, Studio Frankfurter Berg | |
05.11.2012, Studio Frankfurter Berg | |
12.02.2016, Studio Frankfurter Berg | |
13.02.2016, Studio Frankfurter Berg | |
14.02.2016, Studio Frankfurter Berg |
Erläuterungen zum Stück
Bereits vor einigen Jahren hatte ich die Idee, einmal ein anspruchsvolles, abendfüllendes Stück für mich selbst zu schreiben. Schwierig war es allerdings, für dieses Vorhaben einen geeigneten Stoff zu finden.
2009, dem Jahr, in welchem Anne Frank 80 Jahre alt geworden wäre, stieß ich in der Zeitung auf ein Interview mit Buddy Elias, dem einzigen noch lebenden Mitglied der Familie Frank. Hierbei wurde der Vater Otto Frank zitiert, der hin und wieder bedauert habe, dass Anne gewissermaßen zur Ikone erhoben wurde, während seine ältere Tochter Margot fast völlig in Vergessenheit geriet.
Dies war der Augenblick, wo mir der Gedanke kam, mein Ein-Personen-Stück Margot Frank zu widmen.
Schnell hatte ich einen ersten groben Handlungsablauf, was für mich meist ein sicheres Zeichen ist, dass ich das Thema unbedingt weiter verfolgen sollte.
Bevor ich allerdings mit der eigentlichen Arbeit anfangen konnte, musste ich mit dem Anne-Frank-Fonds in Basel Kontakt aufnehmen. Da Margot Frank eine Person der Zeitgeschichte ist, galt es, zunächst die rechtliche Lage zu klären, ob ich ihren Namen, ggf. auch Texte aus Annes Tagebuch für mein Stück verwenden durfte.
Die erste Reaktion von Buddy Elias war sehr positiv. Er begrüßte meine Idee, ein Stück über seine Cousine Margot zu schreiben.
Vom Anne-Frank-Fonds kam jedoch die Information, die Rechte an allen Texten Annes wären für die nächsten Jahre bereits vergeben. Obwohl man mein Projekt interessant fände, könne man mir daher leider keine Genehmigung erteilen.
Ich ließ nicht locker und fragte an, ob das Stück möglich wäre, wenn ich KEINE Originaltexte verwende, sondern mich lediglich inhaltlich an Geschehnissen orientiere, die im Tagebuch erwähnt sind.
Kurze Zeit später hatte ich die Antwort: "Ja, auf diese Weise wäre das Stück denkbar."
In der folgenden Arbeit an Libretto und Komposition stand ich häufig mit Buddy Elias in Kontakt, der mir zum Text wertvolle Ratschläge gab.
Das Stück unterteilt sich in zwanzig musikalische Nummern, die durch Texte verbunden werden.
Im Wesentlichen handelt es sich um Strophenlieder, darüberhinaus gibt es diverse Melodrampassagen.
In der Besetzung der Begleitinstrumente habe ich mich für Klarinette, Klavier und Schlagzeug entschieden, da diese Instrumente in der traditionellen Klezmer-Musik häufig zum Einsatz kommen.
In einzelnen Nummern verarbeite ich sowohl originale jüdische Musik, als auch die Melodien nationalsozialistischer Soldatenlieder.
So verknüpfe ich im Vor- und Nachspiel (Nummer 1 und Nummer 20) "haTikwa", was seit 1887 als Hymne der zionistischen Bewegung galt und heute Nationalhymne des Staates Israel ist, mit "Es zittern die morschen Knochen", das in den berüchtigten Refrain mündet "Wir werden weiter marschieren, wenn alles in Scherben fällt, denn heut da hört uns Deutschland und morgen die ganze Welt."
In Nr. 5, Margots Weg ins Hinterhaus, begegnen sich das israelische Friedenslied "Shalom chavarim" und das "Horst-Wessel-Lied", das in der Zeit des Nationalsozialismus den Status einer zweiten Nationalhymne erhielt.
In Nr. 6 schließlich, "Und dabei war ich mal eine von ihnen", erklingt in angedeuteter Form das "Deutschlandlied".
Da sich Margot und Anne, obwohl in Deutschland geboren, als Holländerinnen empfunden haben, wählte ich gelegentlich im Text das holländische Wort "Moffen" - ein Schimpfwort, das in Holland mitunter bis heute für Deutsche gebraucht wird.
Konzipiert ist das Stück für die Darstellung durch eine Sängerin, die Margot und Miriam als Doppelrolle spielt.
Denkbar ist aber auch eine Vielzahl anderer Interpretationen, angefangen von der Aufteilung der Rollen auf eine Sängerin und eine Schauspielerin, über den Einsatz von Pantomimeelementen, Videoeinspielungen, bis hin zu Tanz- und Figurentheater.
Unerwünscht ist lediglich eine Veränderung oder Kürzung der Texte und Musiknummern.